Von der Sucht beherrscht Teil 2
Was bis jetzt passierte:
Essen, erbrechen, Partys und Alkohol bestimmen das Leben der vierzehnjährigen Mirjam. Die Magersucht beherrscht ihr Leben. Es ist eine Qual für sie. Unkontrolliert isst sie in sich herein, um gleich nachher wieder alles zu erbrechen. Psychisch ist sie am Boden und will ihrem Leben ein Ende machen. Nach einer durchzechten Nacht schlägt sie die Bibel auf. Zum Glück. «Seit jenem Abend nach der Party ist mein Interesse am Lesen der Bibel wieder wach. Es kann doch nicht Zufall sein, sage ich mir immer wieder, dass ausgerechnet der Vers „suchet, so werdet ihr finden…“ vor mir lag, als ich die Bibel öffnete. Auch höre ich mir wieder Predigten an. Was mich vor kurzem noch abgestossen hat, beginnt mich wieder zu interessieren. Ich wage wieder zu beten. Zaghaft. Ich bitte Gott, konkret in mein kaputtes Leben einzugreifen. Es ist auf dem Weg zur Sonntagspredigt. Mein Entschluss steht fest: Ich will mein Leben neu Gott anvertrauen. Und mir ist, als hätte Gott in diesem Moment tatsächlich in mein Herz zurückgefunden. Ein Zustand, den ich nicht mehr ändern wollte, egal was passiert. Es geht mir jetzt entschieden besser. Aber es ist noch lange nicht alles gut. Sechs Monate war ich gefangen in meiner Magersucht und sechs Monate sind jetzt vergangen seit dem Entschluss, mein Leben wieder Gott anzuvertrauen. Da holt es mich wieder ein. Ich will mich über mein Gewicht definieren, ich will wieder abmagern. Alles wird noch schlimmer, als es früher war. Nach jedem Essen will, ja muss ich erbrechen. Es ist zum Zwang geworden. Ich fülle den Magen, stopfe in mich hinein. Dann wieder aufs WC. Alles erbrechen. Bis fünfmal täglich. Ich habe Angst. Angst vor mir selber, Angst, dass es jemand merkt. Ich schäme mich vor mir selber. Ich fühle mich schuldig. Nach jedem Erbrechen will ich aufhören mit diesem Unsinn. Aber es geht nicht. Mir wird klar: Ich kann nicht mehr einfach so aufhören. Ich bin gefangen. Gefangen in einer Sucht. Ich brauche Hilfe. Ich bin am tiefsten Punkt meines Lebens. Auf einem langen Spaziergang erzähle ich alles einem meiner Brüder. Er hört zu. Von vielem, was in meinem Leben abgeht, weiss er nichts. Mein Versteckspiel hat funktioniert. Aber wie soll er mir helfen? Ich soll mit meinen Eltern sprechen, so sein Ratschlag. Ich bin bereit, mir helfen zu lassen und gehe zu meinem Vater. Es ist ein langer Spaziergang. Ich rede, schweige, rede wieder, bin bedrückt und doch gewissermassen erleichtert zugleich. Aber was jetzt? Erstaunlich. Es kommt kein Vorwurf vom Vater. Er überrascht mich mit der Frage: „Glaubst du an Gott, glaubst du an Jesus? Glaubst du auch, dass er dir helfen kann?“ Ich bin selber überrascht von meinem spontanen aber überzeugten „Ja“. Ich will Gott drei Tage Zeit geben, um sichtbar in mein Elend einzugreifen. Klappt es nicht, will ich in die Klinik. So mein Entschluss. Wir beten zusammen. Auf dem Weg nach Hause schweigen wir. Es ist bereits später Abend. Mit der offenen Bibel kommt mein Vater zu mir ins Zimmer. Seltsam, meint er. Gerade sei er auf diesen Vers gestossen: „Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen, ich will dich gesund machen, in drei Tagen wirst du wieder in den Tempel des Herrn gehen.“ Es ist, als würde mich ein warmer Strom durchfluten. Dieser Satz trifft mich mitten ins Herz. Eine neue, starke Hoffnung auf eine Beziehung zu einem lebendigen Gott erfüllt mich. Diese Bibelstelle hallt noch lange in mir nach und lässt mich nicht mehr los. Tatsache bleibt: Von diesem Moment an musste ich nicht mehr erbrechen. Ich kann gar nicht mehr erbrechen, es ist, als stünde eine unsichtbare Mauer ums WC. Trotzdem, es ist noch ein längerer Weg bis zu meiner vollständigen Heilung. Ich muss wieder lernen, mich als Frau anzunehmen, so wie ich bin. Das Gewicht ist nicht mehr das Mass meiner Zufriedenheit. Echte Schönheit ist mehr als mager zu sein. Ich muss auch wieder lernen, normal zu essen und normal zu leben. Warum Gott nicht alles in einem Augenblick vollständig geheilt hat, weiss ich nicht. Aber ich weiss, dass ich heute mit meiner Familie ein normales und zufriedenes Leben führen kann. Mit allen zum Leben gehörenden Herausforderung. Gott sei Dank.»
An jenem Abend stösst Mirjam zufällig auf den Vers der Bibel: «Suchet, so werdet ihr finden.» Bis zu diesem Zeitpunkt war ihr Interesse an Gott, Glaube und Kirche weg. Doch diese Aussage der Bibel gibt ihr Hoffnung, das Gebet neuen Mut. Doch dann fällt alles wieder zusammen. Die Sucht wird schlimmer. Sie will aussteigen, aufhören. Alle Bemühungen bleiben ohne Erfolg. Keine Chance, keine Hoffnung von der Sucht loszukommen. Am Tiefpunkt ihres Lebens spricht sie mit ihrem Vater. Sie will Hilfe, ja sie muss Hilfe haben, um überleben zu können.
Mirjam Eggimann
POWER TO BE FREE! Nur wer aufsteht lernt laufen…
Sucht hat Macht. Das wissen alle, die schon unter einer Sucht gelitten haben. Es ist alles andere als einfach, diese Negativspirale zu durchbrechen und sich an einem Leben in Freiheit zu freuen. Warum ist das oft so schwierig? Wie wir im 1. Teil zu diesem Thema gesehen haben, hat die Sucht das Leben von Lea einschneidend verändert. Lea tut Dinge, die sie gar nicht tun will. Sie hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Zwänge bestimmen ihr Leben. Sie wird in bestimmten Bereichen ihres Lebens regelrecht „fremdbestimmt“. Und das, was in ihren Gedanken und in ihrem Herzen geschehen ist, macht die ganze Sache noch viel schlimmer. Denn die Sucht verzerrt unser Selbstbild und unser Gottesbild. Satan, der Lügner von Anfang an, nutzt diese Gelegenheit, um uns folgendes Programm „zu verkaufen“: Das sind keine guten Aussichten. Aus einem solchen Lügengefängnis auszubrechen ist fast unmöglich. Gibt es überhaupt Hoffnung? Gibt es Hilfe? Kann mich überhaupt jemand verstehen? Ja, Gott sei Dank. Lea hat erfahren: „Gott ist in allem Schwierigen da.“ Als Schöpfer des Lebens hat er eine wunderbare Vision für seine Geschöpfe. Mit seiner Wahrheit deckt er die Lügen Satans auf. Sein Programm ist genial, ermutigend, himmlisch, befreiend… Es ist bestimmt nicht schwer, aus diesen beiden Angeboten das bessere zu erkennen. Doch wie komme ich von den Lügen Satans zur Wahrheit in Jesus Christus? Wie komme ich aus der Sucht in die Freiheit? Warum befreit mich Gott nicht einfach so aus der Macht der Sucht? Zweifellos kann er das, doch eher selten tut er es auch. Warum er nicht immer gleich handelt, ist schwer zu verstehen. Klar ist aber, dass er uns auf diesem schwierigen Weg helfen will und dass er uns begleiten wird. Lea hat gelernt und verstanden: Auf dem Weg von der Sucht in die Freiheit ist es oft entscheidend, dass fremde Hilfe angenommen wird. Vielleicht sind es Freunde, Eltern, Seelsorger oder andere Menschen, die bereit sind, sich deiner Not anzunehmen und mit dir zusammen ein Stück dieses schwierigen Weges zu gehen. Wenn du dich entschieden hast, diesen Weg in die Freiheit unter die Füsse zu nehmen, dann heisst es, konkrete Schritte zu tun. Mit Gottes Hilfe den Versuchungen aus dem Weg zu gehen, mit den Begleitern in Kontakt zu stehen, alte Muster und Gewohnheiten abzulegen und sich echte Freiheiten anzueignen. Beschäftige dich immer wieder mit den Wahrheiten, die Gott über dich denkt und dir zuspricht. Er liebt dich bedingungslos! Ein Mensch, der nach jahrelanger Gefangenschaft in die Freiheit entlassen wird, muss lernen, in der Freiheit zu leben. Genauso ist es auch bei Menschen, die in Sucht gelebt haben. Das suchtfreie Leben muss Schritt für Schritt „erlernt“ werden. Dazu gehört auch, „vor der Sünde zu fliehen“ d.h. konkret, möglichst schnell einen möglichst grossen Abstand zwischen dich und die Versuchung zur Sünde zu bringen. Martin Luther hat einmal gesagt: „Ich kann nicht verhindern, dass Vögel über meinem Kopf fliegen, aber ich kann wohl verhindern, dass sie auf meinem Kopf ein Nest bauen.“ Genau darum geht es. Und Lea hat konkret erfahren: „Gottes Liebe ist auch da, wenn wir unsere Kämpfe haben.“ Nur wer (mit Gottes Hilfe) kämpft, kann auch siegen. Nur wer immer wieder aufsteht, lernt laufen und nur wer laufen kann, kann auch vor der Versuchung weglaufen. Ich wünsche dir mit Gottes Hilfe – POWER TO BE FREE! Möchtest du Schritte in die Freiheit tun? Brauchst du Unterstützung und Hilfe? Kennst du das Liebesangebot Gottes? Oder hast du andere Fragen zum Thema Sucht/Freiheit? Kontaktiere uns. Wir sind für dich da. Alles, was du uns mitteilst, wird vertraulich behandelt!
Euer Karl Grünenwald